Dr. Silvie Aigner
Eröffnungsrede zur Ausstellung
"Passed"
im Schloß Wolkersdorf, 2015
Birgit Sauer wurde in Wien geboren und wuchs ebenda also auch im niederösterreichischen Horn und Eisenstadt im Burgenland auf. Die Künstlerin studierte an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, und diplomierte 1994.
2004 eröffnete sie ihr Atelier in einem ehemaligen Hangar des Trausdorfer Flughafens, womit sie sich ihren Traum erfüllte, ein Atelier mit viel Platz zu haben.
„Ihre Welt kann gar nicht weit genug sein“, schrieb Walter Koschatzky 1995 in einem Essay über Birgit Sauer, was sowohl zum Thema Flugplatz als auch zu ihrem großzügigen Atelierraum passt sowie vor allem zur Medienvielfalt der Künstlerin. Es gilt also sowohl im rein geographischen Sinn als auch für die Breite ihres Schaffens. Das Spektrum der Medien reicht von der Zeichnung und der klassischen Kaltnadel-Radierung über die Ölmalerei bis hin zur Fotografie und Videoprints. Ihre Ausstellungen führten sie bisher vom Burgenland und Wien aus unter anderem nach Deutschland, Frankreich, Italien, China, USA oder Brasilien.
Interessant ist auch der künstlerische Werdegang von Birgit Sauer. Zumeist führt der Weg von einer figurativen Formensprache zur Abstraktion, oder man bleibt beim Figurativen oder hat gleich abstrakt gemalt. Bei Birgit Sauer war der Weg ein anderer: Sie suchte nicht aus der Gegenständlichkeit in die Abstraktion zu gehen – sondern zunächst vorwiegend abstrakt gearbeitet. Um 2000 kommt es zu einer Veränderung in ihrem Werk und die Gegenständlichkeit und das Figurative wird zum Schwerpunkt. Dennoch auch wenn dieser Hinwendung zur Gegenständlichkeit zunächst wie eine radikale Wende anmutet, gibt es sowohl in der Technik, in der Bildkomposition als auch in vielen anderen Details – auch wenn die Bildsujets andere sind – eine gewisse Kontinuität.
Die Ausstellung im “forumschlosswolkersdorf” zeigt Arbeiten von Birgit Sauer von 2010 bis heute und markiert damit einen wichtigen Zeitpunkt innerhalb ihres künstlerischen Werkes. Sie selbst bezeichnet das Jahr 2010 als Höhepunkt ihrer figural-gegenständlichen Bildkompositionen, vor allem auch deshalb, da sie jetzt wieder mehr in die Richtung des Abstraktion geht. Dabei meint sie garnicht so sehr das Motiv – den vor allem die Wahrnehmung der realen Umgebung spielt eine große Rolle in den Arbeiten von Birgit Sauer – sondern vor allem im Hinblick auf die Technik: Das Unscharfe, Verschwommene ist eines der wesentlichen Stilkriterien der aktuellen Arbeiten, die sie daher auch “Blurred” nennt. Die Künstlerin hat in ihrem bisherigen Werk eine Reihe von Tools für ihre Bildkompisitionen erarbeitet und schöpft jetzt aus all diesen Möglichkeiten.
Die Hinwendung zur Unschärfe erfolgte durch die Beschäftigung mit der Hinterglasmalerei. In der gestische, teils pastose Texturen Polaritäten und Farbkontrasten entstanden und das Gegenständliche sich mit der Abstraktion verband.
Durch die Hinwendung zum Figurativen kam auch das Arbeiten mit der Fotografie und den verschiedenen Möglichkeiten mit dieser Technik umzugehen. Und da kommt ein Faktum ins Spiel: Birgit Sauer kommt von der Grafik und von der Malerei. Die reine Fotografie interessiert sie daher kaum, sie ist ein Mittel zur Umsetzung und vielmehr Ausgangspunkt als Endprodukt und wird in vielerlei Hinsicht von ihr überarbeitet.
Als ein Paradigma der Moderne tauchen in Birgit Sauers gegenständlichen Arbeiten immer wieder Torso und Körperteil auf. Strukturalistisch bewirken Verschiebungen der Ansichten einen partiellen Bildausschnitt, der Rest – oft auch der fehlende Kopf einer Figur, muss erweiternd dazu gedacht warden, etwas das auch in den frühen abstraken Arbeiten von Birgit Sauer stets ein Kriterium der Komposition war.
Minirock, Lackstiefel, das Korsett in lichtdurchfluteten Räumen mit roten und gelben Farbintensitäten, teilweise in wilder Bewegung, spielen bewusst mit wiedererkennbaren Motiven einer Populärkultur bzw. der Medienwelt. Wobei Birgit Sauer hier ungewöhnliche Blickwinkel und Ausschnitte wählt. Das Badezimmer und der Spiegel sind dabei häufig wiederkehrende Themen. Ein Ort der Intimität ebenso wie oft der bitteren Wahrheit und des Wandel. Des Blickes auf sich selbst, des Verinnerlichtseins, des sich Zurückziehens oder auch des sich Veränderns. Darüber hinaus ist der Spiegel ist auch ein Mittel der Bildkomposition um Räume und Bildtiefen miteinander zu verbinden.
Grundsätzlich formieren sich hier Farbflüsse in Felder, die gegenständlich gelesen werden können:. Kleine Verschiebungen im Blick machen aus roten Schatten wieder reine Flecken.
Die Gesichter bleiben unkenntlich wie auch in der Serie von digitalen Fotografien auf Aluminium. Sauer arbeitet mit Unschärfen der Körper und Köpfe – Das verstärkt ihre Interpretation in der Darstellung von Menschen – sie liegen, fallen in einer Art Sog oder es ist eine absurde Welt, die sie aus der Schwerkraft entlässt. Lichtreflexe wie auf Rippglas, Hände und Ohren tauchen aus den verschwommenen Bereichen auf. Schwanken, Drehen und Verschwinden in eine Auflösung ähnlich wie im Traum. Das Schwebende, in Bewegung Befindliche sperrt sich gegen die reale Starre und Genauigkeit. Unschärfe kann die Bewegung als Wesen der Dinge besser vermitteln, Die bewusst eingesetzte Verunklärung reduziert den Informationsgehalt der Bilder, lässt die Motive weicher, in Auflösung erscheinen und verschiebt sie ins Schemenhafte und Malerische. Es geht eher um die Darstllung von Atmosphäre oder und emotionalen Stimmungen als um Details.
Individualität gilt allgemein als entscheidendes Merkmal des Porträts. Aber wann ist diese Grenze zwischen Real und Ideal wirklich nachvollziehbar? Und stellt sich die Frage nach der Individualität des Porträts heute nicht wirklich völlig neu? Zeitpunkt und Inhaltlichkeit des Bildnisses eine Rolle, mit Ausnahme des repräsentativen Aspekts, auf den das zeitgenössische Porträt zumeist gänzlich verzichtet. Vor allem die heutige Werbe- und Life-Style Industrie benützt eine vorgetäuschte Individualität um ihre Inhalte zielgruppenorientiert zu platzieren. So gesehen ist das Bild nie nur ein Abbild sondern auch ein Bild der Gegenwart, im Umfeld des Dargestellten oder des Fotografen und Künstlers. Im Zentrum der Ausführungen stehen die Bildsprache und deren Inhalte. Selbst dort wo scheinbar eine private Charakteristik wiedergegeben wird, in den Chatrooms, Facebooks und Singlebörsen des World Wide Web, regiert das Spiel des Tarnen und Täuschens. Das Internet bietet in den Weiten seiner Kommunikationsräume unendliche Möglichkeiten der Selbstdarstellung zwischen Realität und Wunschvorstellung. Es generiert eine Identität, die vom Repräsentativsten bis zum Intimsten alle Abstufungen durchlaufen kann. Das Gesicht fungiert dabei als Mitteilungsmedium und Membran einer digitalen Begegnung. eine Person nicht. Es stellt nach Parrhasios im besten Fall das dar, was man sieht. Dennoch kann ein Porträt benützt werden um Stimmungen und Gefühle darzustellen, doch sind dies bereits Interpretationen und konzeptuelle Überlegungen des Malers oder Fotografen. Das Gesicht wird dazu benützt etwas auszudrücken, was jedoch eventuell mit der Identität der Person nichts mehr zu tun hat. Der Umgang mit der Realität des Fotos und der Anspruch des Betrachters damit tatsächlich ein Bild der Wirklichkeit vor sich zu haben bildet daher die Basis der konzeptuellen Überlegungen von Birgit Sauer. Doch zielt Birgit Sauer durch die Unschärfe auf eine Verfremdung, sodass die von ihm dargestellten Menschen nicht erkennbar sind. Natürlich ging es in diesen Arbeiten auch um eine visuelle Befragung letztlich zielte BS darauf die reale Vorlage soweit zu reduzieren, dass die Malerei sich eindeutig in den Vordergrund spielte.
Eine weitere Werkgruppe der Ausstellung bilden “Straßenbilder”
Der Highway in Nevada, die sich überkreuzenden Auf-und Abfahrten bilden den Ausgangspunkt einer Reihe von Bildern, die während des Aufenthalts in Los Angeles entstanden sind. Die Basis bilden dabei überarbeitete Fotos und Videostills, die auf sowohl digital als auch malerisch überarbeitet wurden. Warme Rot und Orangetöne dominieren und lassen die Bilder in der Endfassung als abstrakte Kompositionen erscheinen.